Was Carmen denkt:
Ich sitze in unserem Wohzimmer. Am Fenster hängt noch diese Weihnachts-Lichterkette, die ich vor einigen Monaten um ein paar Euro gekauft habe. Ich stehe auf – gehe ins Schlafzimmer, öffne meinen Kleiderschrank und betrachte das Chaos darin. Soll ich jetzt aufräumen? Ja? Nein? Erst einmal ins Badezimmer. Die Haare kämmen. Gehe ich noch nach draußen? Oder bleibe ich drinnen? Ja? Nein? Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Ich weiß – es nicht. Warum weine ich? Und wieso schlägt mein Herz so verflucht schnell? Ich kriege keine Luft. Ich kriege keine Luft. Ich kriege – keine – Luft. Bin ich krank? Muss ich sterben? Alles ist so leer. Und so sinnlos. Nichts macht mehr Sinn.
Stopp – diese Gefühle kommen mir bekannt vor – das ist das, was ich schon einmal hatte. Das, was wieder vorbei geht. Das, was einen für Minuten bis Stunden in einen absoluten Ausnahmezustand versetzen, aber nicht töten kann. – Nein – Das kann es nicht. Aber was ist das? Es macht mir Angst, vor allem, weil ich nicht weiß, was es ist, und was es mit mir machen will. Ich gehe im Raum auf und ab, hin und her. Ich zittere. Das soll aufhören. Bitte – lass’ es aufhören.
„Es fühlt sich an, als wär’ ich in der Wüste. Sie streicht wie Schleier über meine Füße.“– drängen sich da zwei Sätze in meine Gedanken, die noch nie so farblos und grell gleichzeitig waren. Nachdem ich sie viele Male leise und innerlich wiederholt habe, will ich sie nicht mehr hören. Ich suche nach einem Stift. Vielleicht hilft es, wenn ich die Sätze aufschreibe. Raus aus dem Kopf. Der Kugelschreiber, den ich zwischen Suppenlöffeln und Korkenziehern in einer Lade finde, schreibt nicht mehr. Der Bleistift, der unter dem Sofa schläft, muss gespitzt werden. Ich habe keinen Spitzer. Ich habe – keinen – Spitzer – was mache ich jetzt? Stopp. Die Spirale geht weiter – alle diese Dinge empfinde ich gerade nur als so beklemmend und schlimm, weil dieses Ding wieder da ist. Weil sie wieder da ist. Ich atme tief durch. Mehrmals. Dann erinnere ich mich daran, das in meinem Rucksack eine ganze Federtasche voller Stifte ist. Endlich können die Sätze auf Papier. Doch dann passiert es – wie es mir davor und auch danach noch nie passiert ist – es fließt. Sie fließen. Die Gedanken, die Zeilen fließen einfach so aus mir heraus – und landen zielsicher auf dem Papier.
„Sie nimmt der Welt die Hintergrundgeräusche. Ich höre furchtbar laut, wie sehr ich keuche, wenn sie in meine Lungen Knoten bindet und meinen Herzschlag viel zu langsam findet.“ Ich übergebe mich förmlich in Worten. Und mit jedem Wort, das ich schriftlich ausspucke, jedem Gedanken, den ich plötzlich beschreiben und formulieren kann, fühle ich mich leichter – befreiter. „Wenn sie wiederkommt, sag’ mir, dass sie wieder geht, und das der Sturm auch manchmal vor der Ruhe weht.“ schreibe ich dann – und fühle, dass ich aus diesem Text ein Lied machen werde. Und, dass es nicht einfach werden wird, dieses mit der Außenwelt zu teilen.
„Wenn sie wiederkommt, sag’ mir, dass ich atmen kann, und halt’ mich fest, bleibt sie dieses Mal zu lang’.“ – Als mein Lieblingsgitarrist nach Hause kommt, wartet ein fertiger Text darauf, vertont zu werden. Ich höre den Rhythmus, ich spüre die Musik, werfe mit Klangvorstellungen um mich, die wohl außer ihm kaum jemand als musikalische Beschreibungen identifizieren könnte. Doch dann lebt es auf einmal – dieses Lied über sie. Und damit ist natürlich keine andere Frau gemeint, wie manch’ eine/r anfangs geglaubt haben will – sondern die Panik.
Heute kenne ich die Anzeichen einer Panikattacke viel genauer und weiß, dass der freundliche Empfang dieser unbeliebten Begleiterin viel besser hilft, als jede Kampfansage. Ein tolles Buch dazu gibt es von Klaus Bernhardt– „Panikattacken und andere Angststörungen loswerden“, wenn sich jemand für die Thematik interessiert. Sei es, wie es sei – aus der Panikattacke wurde ein Text, aus dem Text ein Lied und aus dem Lied ein Musikvideo, das mein TAGEBUCH–Partner Gerhard Schmitt und ich gemeinsam mit dem fantastischen Videoteam FRAEM und den begabten TänzerInnen Britt Davis, Anna-Lise Marie Hearn und Dennis Radelaar auf den Bildschirm bringen durften. „Bleib doch bei mir – Du Muse, Du Sirene – Du bist nichts mehr wofür ich mich noch schäme.“ Und Punkt.
Was darüber gesagt wurde:
Eberhard Forcher im Austrozone-Video-Beitrag:
Der Tonspion in der Rezension
Und zum Schluss gibt es natürlich noch,…
…den Link zum Musikvideo. Dort findet Ihr auch den kompletten Liedtext.
Mehr zu TAGEBUCH findet Ihr hier:
oder unter diesem Facebook-Link:
https://www.facebook.com/tagebuchmusik/
Und hier der Link zum Instagram-Profil:
https://www.instagram.com/tagebuchmusik/
AUSSERDEM:
Klaus Bernhardt und „Panikattacken und andere Angststörungen loswerden“
Liebe Carmen,
Congratulations & das nennt man dann wohl Transformation vom Feinsten.
Wenn SIE einen solchen Song ergibt, kann man SIE sich eigentlich nur wünschen.
Dennoch hoffe ich, dich inspiriert die Muse zukünftig etwas sanfter.
Chapeau für dieses Gesamtkunstwerk und auf das noch viele weitere folgen.
Danke liebe Anna!! Ich musste gerade wirklich über Deine Worte schmunzeln. Ja, es stimmt, in den psychisch anstrengendsten Phasen schreibe ich tatsächlich am meisten. Ich hoffe sehr, dass ich lerne, auch in guten Zeiten mehr schreiben zu können. 🙂 Eine etwas sanftere Muse wäre nämlich tatsächlich etwas Feines 😉 Alles Liebe, Carmen.
Liebe Carmen,
Du beschreibst und besingst einen Zustand, den ich nur allzu gut kenne und der zum Glück nicht mehr zu meinem Leben dazugehört. Doch ich weiß, wie aussichtslos sich dieser Zustand anfühlt… Ich finde es bewundernswert, in welche Worte Du die Panik fasst, denn dadurch lässt sie sich greifen und verliert automatisch ihre Macht. Dass Du Dich ihrer nicht mehr schämst, steht Dir gut, und macht Mut.
Ich bin gespannt, zu welchen Liedern und Texten Dich Dein Leben weiter inspiriert. Mach damit unbedingt weiter: Du hast echt Talent!
Liebe Grüße
Amelie
Liebe Amelie – ach, ich danke Dir sehr für Deine liebevollen und ehrlichen Sätze. Es freut mich ganz ehrlich, dass Dich die Panik nicht mehr besucht. Und werde ganz rot – Danke Dir – dieses Kompliment kann ich Dir nur zurückgeben. DU hast wirklich Talent. Und so ein pures, wunderschönes Wesen und Strahlen. Auf gut österreichisch also: I mog Di. 🙂 Alles Liebe, Carmen.
Liebe Carmen,
juhu, endlich bekomme ich das mit der Kommentarfunktion auch hin! Also, nicht zu früh freuen, noch hab ich ihn ja nicht erfolgreich abgeschickt, aber ich bin guter Dinge! Ich hatte mir deine Seite schon ein paar Mal angeschaut und hier und da gelesen und sie gefällt mir sehr sehr gut! Was für eine schöne Idee! Und natürlich, darüber hatten wir schon gesprochen, spricht mich gerade dieses Thema, SIE, direkt an und deine Zeilen bewegen mich. Du wählst wirkungsstarke Worte, um deine Panik zu beschreiben, die sie tatsächlich nicht wie eine körperliche Empfindung, sondern wie eine Person, du sagst Begleiterin, wirken lassen, auch, wenn es angenehmere gibt. Ich freue mich sehr für dich, dass du durch das Schreiben in diesen Momenten einen Weg gefunden hast, besser damit umzugehen und vor allem, dass dir die Nutzung dieses Ventils selbst in solch anstrengenden und „schlimmen“ Momenten trotzdem möglich ist!
„Sich förmlich in Worten übergeben“ hat mir als Formulierung sehr gut gefallen!
Du hast da glaube ich einen sehr gesunden und guten Umgang mit dieser Begleiterin gefunden!
Und deine Art zu schreiben, dein Stil, so bildhaft und geschmeidig, einzigartig, Toll!
Bin gespannt auf deine anderen Texte!
Ganz liebe Grüße von mir!
Liebe Polarphileme – auch hier: Vielen Dank für all die Gedanken und die Zeit, die Du mir schenkst. Ebenso geht es mir beim Lesen Deiner Texte. Sie ermutigen und inspirieren mich sehr. Ich freue mich auf Weiteres von Dir!!! Liebe Grüße Carmen 🙂