6: Revelle und „Nach Mitternacht“

Was Carmen denkt:

„Ich hör’ Deine Sprachnachricht immer nur, wenn ich betrunken bin, am Weg nach Hause, damit ich nicht so alleine bin“ – Ich sehe mich im Taxi, wenn ich Dein Lied höre, liebe Revelle – am Weg nach Hause von einer Geburtstagsfeier in einem Wiener Club, in dem ich mich sonst eigentlich nie besonders viel herumgetrieben habe – aus dem Fenster schauend, die kitschigen Gebäude des Universitätsrings betrachtend, die ich heimlich schon immer ganz schön schön fand – irgendwie auch heimelig. Ich hatte gerade ein paar freundliche Worte mit der Taxifahrerin gewechselt, in deren Auto ein Vanille-Duftbaum hing, als mir dieser kalt-heiße Schauer des Alleine-Seins über den Rücken fuhr.

Die Person, die mich liebte, hatte ich verlassen, der Mensch, in den ich mich verliebt hatte, wollte mich auf ganz andere Art und Weise, als ich ihn. „Und ich hass’ mich dafür.“ Ich holte meine kaputten Kopfhörer aus den Tiefen meiner Tasche und hörte mir wieder einmal jene Sprachnachricht an, die er mir vor einigen Monaten, ganz am Anfang unserer, nun ja – Liäson? – geschickt hatte. Er klang so aufgeregt und warm – und dieses Begehren in seiner Stimme hatte mich schon damals verrückt gemacht. Er wollte mich. Und ich wollte ihn. Nur eben anders.

Du meinst, ich weiß so viel von Dir, dass wir grad’ nur im falschen Timing wären“ – Sprachnachricht Nummer 10 klang so anders, als die Nachrichten davor, und so gleich, wie das, was mir bereits ein anderer Mann, den ich unfassbar mochte, ca. ein Jahr zuvor gesagt hatte.

„Hey, ich kann’s doch ich will’s nicht verstehen.“ In meiner damaligen Situation war er (zumindest soweit ich weiß) in keiner Beziehung, hatte aber mehrmals von Begegnungen erzählt „where you just know – she’s the one“ – und mir damit suggeriert, dass ich keine der „Auserwählten“ sei, er mich aber trotzdem gerne weiterhin treffen wollen würde. „For everything else but a relationship“. Äh – okay?! Ich habe alternative Beziehungsformen nie verurteilt, aber ich fühlte einfach, dass es hierbei nicht darum ging. Wie schon in der Romanze zuvor ging es wohl eher darum, dass ich nicht ausreichte. Zumindest fühlte es sich damals so an. Und das tat weh.

War ich generell nicht genug für das große Feuerwerk? Nur ausreichend für die Blitzlichter des Anfangs? Ja, ich war verletzt, und ja, ich dachte wohl auch nicht mehr wirklich rational, aber, was sich besonders schlimm anfühlte, war: Ich schämte mich. Ich schämte mich dafür, meine Hingebung und Leidenschaft am Anfang einer Romanze nicht zügeln zu können (oder zu wollen? – denke ich heute). Und ich schämte mich dafür, mich „hergegeben“ zu haben. Dabei stimmte das gar nicht. Ich hatte mich hingegeben, und dem war gut so! (Ausrufezeichen!) Meine Hingabe wurde schlicht und einfach nur leider nicht auf gleiche Art und Weise erwidert, und das passierte in der Liebe eben manchmal. Manchmal oft. Oft manchmal. Wie auch immer.

Liebe Revelle, ich finde es so mutig, wie Du in „Nach Mitternacht“ über das Gefühl der Zurückweisung von jemandem, den man so sehr mag, schreibst, und dabei so ehrlich bleibst, wie man nur sein kann. Ich mag es, wie Du vermittelst, dass man im Leben einfach nicht immer rational fühlt und/oder handelt, und dass man sich nicht dafür schämen muss, darüber zu reden – übrigens ganz egal, welchem Geschlecht oder welcher Sexualität man angehört – und ich finde es gut, wie viel Du fühlst, auch wenn ich weiß, dass das manchmal ganz schön überfordernd sein kann – aber Menschen wie Dich braucht die Welt.

Was Revelle denkt:

Liebe Carmen – Ich habe „Nach Mitternacht“ mit Paul geschrieben. Paul ist einer der wenigen Menschen, mit denen ich über mich selbst rede. Und über mein Herz, das schütze ich sonst ganz gerne vor anderen Menschen. An diesem Dienstag Nachmittag im November wollten wir eigentlich nur irgendeinen Song schreiben, worüber und wofür auch immer. Dann haben wir in meiner kleinen verwinkelten Küche in Berlin Kaffee getrunken und geredet, viel geredet. Irgendwann hab ich dann von diesem einen Mensch erzählt. Und von unserer Geschichte. Es war alles mehr als gut, nur eben die falsche Zeit am richtigen Ort. Dann haben wir drei Tage an diesem Song geschrieben, und noch viel mehr über alles das geredet. Ich habe irgendwann die richtigen Worte gefunden. Mir war’s selten so wichtig, nichts ungesagt zu lassen. Und alles so festzuhalten, wie es war.

Wenn ich heute den Song höre, bin ich eigentlich ganz ok, aber manchmal tut’s mir noch irgendwie weh. Oftmals dann, wenn ich betrunken bin und auf dem Weg nachhause, wenn die Lichter sich in den nassen Straßen spiegeln. Dann ist man gedanklich plötzlich wieder bei dem Gespräch, damals um 4 Uhr Früh, in der Bar um’s Eck. Bei dem „das zwischen uns ist besonders“ und dem „ich kann das nicht“. Bei den nächsten Tagen und der Stille danach.

Nach Mitternacht ist die Zeit, zu der ich zu viel denke. Weil dann ja irgendwie die Zweifel verschwinden, und sich die Hoffnung in die Herzen schleicht. Ich liebe es, dann in meinem Herz nach alten Gefühlen und Erinnerungen zu kramen und manchmal in alten Geschichten zu verweilen und Dinge zu hinterfragen. Das alles ist „Nach Mitternacht“ – ein Gefühl und eine Erinnerung an eine ganz besondere Person, konserviert in einem Song. Damit ich für immer weiß, wie es sich jetzt angefühlt hat.

Bleibt dran, denn die liebe Revelle veröffentlicht bald ihre erste, bestimmt ganz wundervolle, Piano-EP!

Hier der Link zum Youtube-Video von Revelle. Wenn Ihr auf „Mehr ansehen“ klickt, dann findet Ihr auch den ganzen Text von „Nach Mitternacht“

Klickt hier, wenn Ihr Euch das, vor tollen Texten strotzenden, Instagram-Profil von Revelle ansehen wollt.

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12 Kommentare zu „6: Revelle und „Nach Mitternacht“

  1. Liebe Carmen, ich bin nach einer intensiven Theaterwoche wieder an Bord und habe mir gerade deinen neuen Beitrag ’nach Mitternacht‘ angesehen. Ich spüre diese Nächte, in denen so viel im Raum steht, wenn es draußen ruhiger geworden ist. Die Nacht kann eine Freundin sein, eine Verbündete für die tieferen Gefühle, die sich erst dann entfalten wollen, wenn die Welt draußen fast verstummt ist. Manchmal gehe ich dann hinaus und schaue mir den Sternenhimmel an. Alle, die mich umgeben, sprechen zu mir, auch die Dichter und die Sänger. Ich spüre die Zeit und suche Antworten. All das war mir soeben beim Lesen deiner Zeilen nahe. Ich drücke dich.
    Deine Comediante

  2. Ein wunderbarer Song, liebe Revelle und wundervolle und ehrliche Gedanken und Fragen, liebe Carmen! Die Liebe soll ja einer der schoensten, aber auch eine der kompliziertesten Dinge sein. Ich sage jetzt nicht, mit welcher Seite der Medaille ich am verbundensten bin 😉
    Deinen Vergleich mit dem grossen Feuerwerk und den Blitzlichtern am Anfang finde ich toll. Doch du solltest dich eher fragen, was mit denen nicht stimmt, die nicht auf das grosse Feuerwerk mit dir warten wollen. Beim Schreiben dieses Satzes musste ich an ein Polaroid denken (weiss nicht genau warum, aber dazu gibt’s auch ein schoenes, wenn auch leicht schnulziges Lied, von Joel Brandenstein: https://www.youtube.com/watch?v=u40NNeDIvjI) 😉

    1. Liebe Christina – Danke für Deine zauberhaften Kommentare !! Definitiv – die Liebe ist „nix afoch“ 😉 – Ach, Du bist süß – Weißt Du was – wir bauen uns einfach ein eigenes Feuerwerk und bewundern es dann gemeinsam 😀 – Danke auch für den Liedtipp! Sehr schön!! Alles Liebe, Carmen

  3. liebe carmen, liebe revelle. danke für die schönen zeilen – sowohl hier in euren texten als auch in dem lied, das für dieses ätzende gefühl von „he’s not just that into you“ oder „it’s not you, it’s me“ wirklich sehr schöne klänge findet. ich fühle mich, als sei ich leicht angetrunken nach einer party auf dem nachhauseweg und habe einen akuten emotionalen vermissungsanfall. nach dieser einen person, die mich nicht wollte. ich konnte noch nie passend über musik schreiben, aber ich hoffe, ihr versteht mich:) R

    1. Lieber R – , was für ein schöner Kommentar – so herzerwärmend pure Worte. Danke dafür! Es berührt mich, mir vorzustellen, wie vielen Menschen es schon einmal ähnlich ging. Wie gerne würde ich der Carmen von damals dann mittlerweile sagen, dass sie also nicht zu glauben braucht, sich für diese Gefühle schämen zu müssen. Lieber R – Du schreibst ganz wundervoll über Musik – so empfinde ich es zumindest in diesem einfühlsamen Kommentar. Liebste Grüße zum Abend, Carmen

  4. Carmen, Deine Ehrlichkeit und Dein Mut, über Deine tiefsten Gefühle zu schreiben, ist bewundernswert!

    Mich versetzen Deine Zeilen in alte Zeiten zurück, in denen auch ich mich als nicht gut genug für jemanden empfand. Ich war wohl nicht diejenige, die das Feuerwerk in ihm entfachen konnte und ich trauerte viel zu lange darum. Doch dann lernte ich meinen jetzigen Mann kennen und weißt Du was?: Er machte mir auf einem Hochsitz mitten auf einem Feld seine Liebeserklärung und genau in diesem Moment brach ein riesiges Feuerwerk am Ende des Feldes los, ohne dass er es geplant hätte. Was bin ich im Nachhinein dankbar, dass alles genau so gekommen ist, sonst hätte ich diesen wunderbaren Moment wohl nie erlebt. Danke, dass Du mich daran erinnert hast!

    Und mich regen Deine Zeilen zu einer philosophischen Frage an: Können Feuerwerke überhaupt dort losbrechen, wo der Wert des Gegenübers nicht erkannt wird?

    1. Liebe Amelie – Danke für Deinen liebevollen und bereichernden Kommentar. Was für eine schöne Geschichte – ich sehe Dich fast bildlich auf diesem Feld und habe Gänsehaut, wenn ich daran denke. So schön,.. und berührend,… Ich freue mich so sehr für Dich, für Euch! Danke, dass Du diese Geschichte mit mir und der Welt teilst! – Ob Feuerwerke dort losbrechen können, wo der Wert des Gegenübers nicht erkannt wird? Interessante Frage. Ich glaube nicht, wobei – vielleicht gibt es sie – die ungesunden Feuerwerke – die nach außen hin ganz wunderbar aussehen, nach innen hin jedoch beide kaputt machen – weil der Wert des/der Anderen oder von sich selbst einfach nicht gesehen wird. Ich glaube auch, dass das oft gar keine Boshaftigkeit verlangt – aber – ziemlich weh tun und zerstören kann. Was meinst Du ? So – und jetzt hat es sich „ausgewertet“ für heute Abend. Du Liebe – Danke für diesen Anstoß!! 🙂

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