1: Violetta Parisini und „All right“

Was Carmen denkt:

„I don’t care ´bout anyone but you, I would love to say though it ain’t true.“ Ich muss ca. 20 gewesen sein, als  ich Violetta Parisinis „All right“ das erste Mal gehört habe – und bereits die erste Zeile fand ich damals unschlagbar – gut, frech, aber vor allem wahnsinnig mutig. Offen in die Welt zu singen, dass es eine Lüge wäre, zu sagen, dass man sich nur für den/die eigene PartnerIn interessiert, und das als junge Frau (!), das imponierte mir und war in dieser Dimension neu für mich. Trotz liberaler Erziehung.

Neu für mich war es auch, wie darüber gesprochen wurde, dass Liebe, dieses höchste und erstrebenswerteste Gut der Menschheit, manchmal schlicht und ergreifend nicht ausreicht. So war zumindest meine Interpretation des Liedtexts. Auch aufgrund meiner damaligen persönlichen Situation berührte mich diese Thematik ganz besonders. Wie konnte es sein, dass man jemanden liebte, und trotzdem oder vielleicht sogar gerade deshalb einen Schlussstrich ziehen musste? Oder – wie ging man damit um, wenn man jemanden unbedingt lieben wollte, aber nicht konnte? Zumindest nicht auf die gewünschte Art und Weise?

Ich fragte mich damals, ob Violetta aus eigener Erfahrung sang? Was war ihre Geschichte zwischen den Zeilen von „All right“ ? In meiner Vorstellung saß sie nach einer durchzechten Nacht morgens am gemeinsamen Küchentisch mit ihrem/ihrer LebenspartnerIn und sagte sich selbst genauso wie ihm/ihr, dass deren Beziehung so keinen Sinn mehr machen würde. Egal, wie sehr sie sich anstrengte. Aber Liebe, oder eine gewisse Art der Liebe, sei eben nicht „something that you do“, also nichts was man erreicht, wenn man sich nur genug anstrengte.

„Egal wie sehr ich mich bemühe, ich glaube nicht, dass meine guten Vorsätze uns schlussendlich glücklich machen werden“ (im Original: „All my best intentions will not lead us up over the rainbow, at least I don’t think so“) und „Ich würde mir so sehr wünschen, dass Du der/die Eine für mich wärst. Aber das wird nicht reichen“ (im Original: „It’s strange, I really wish that you were the one – I’ve been tryin’ to linger on but all my best intentions will not lead us up,…“) schien mir Violetta damals aus der Seele zu singen.

Ich weiß noch, wie Tränen der Erkenntnis und Erleichterung über meine Wangen liefen, als ich den, übrigens auch musikalisch wundervollen, Refrain das erste Mal hörte. Bis heute frage ich mich oft, was Violetta Parisinis Geschichte hinter diesem, so poetischen, Text ist.

Was Violetta denkt:

Wie sehr es mich freut, wenn sich jemand von meinen Liedern berührt zeigt. Ich glaube, dass ein gutes Lied so konkret und so offen gleichzeitig ist, dass man seine eigene Geschichte darin lesen kann. „All right“ ist so entstanden, wie du es schon geahnt hast: eine Liebe, die so schön gewesen wäre, aber eben nicht war, weil was gefehlt hat, was genau, das weiß man ja immer nicht, aber man kann es überschreiben mit: die Überzeugung. 

Die Überzeugung im Herzen hat gefehlt. Und nachdem mein Herz nicht überzeugt war, hat mein Mund nicht lang gebraucht, das auch zu formulieren. Meine Lieder entstehen aus dem dringenden Bedürfnis, etwas zu sagen, für das ich noch keine Worte habe, und im Lied formuliert sich das Gefühl und der Gedanke dazu. Idealerweise ist man nachher dann irgendwie erleichtert. Und wenn es einer Zuhörerin auch so geht, dann freut mich das umso mehr. 

Zu „All Right“ zurück: Egal wie liebenswert jemand ist: sie oder ihn zu lieben, steht erstaunlicherweise in keinem direkten Zusammenhang damit. Wie himmelsschreiend unfair. Aber wahr. Eine solche Beziehung zu beenden, eine, die nicht erfüllend ist, ist ein Befreiungsschlag. Und mit so viel Angst und Unsicherheit verbunden, noch dazu, wenn dieses Gegenüber doch so liebenswert ist. Wird man so viel Liebenswert wieder begegnen? Und dann auch auf Gegenliebe stoßen? Und warum denn nicht einfach endlich ankommen, ach, wie einfach das wäre.

Inzwischen weiß ich, dass das Ankommen ganze eigene und zumindest aus der Innenperspektive noch viel größere Herausforderungen bietet, weil man nicht einfach weggehen kann und will. Aber die Liebe liebt auch, wo jemand gerade nicht liebenswert ist, einen selbst miteingeschlossen, und das ist anstrengend, sehr erstaunlich, und schön. Das wird dann in meinem nächsten Album verhandelt, es ist in Arbeit.

 Bleibt dran auf: http://violettaparisini.at

Hier der Link zum Musikvideo zu „All right“ von Violetta Parisini:

 „All right“ – Violetta Parisini – Youtube-Video

Und hier der Link zur Facebook-Info-Seite von Violetta Parisini, auf der Ihr den ganzen Text zu „All right“ findet:

Texte auf der Facebook-Infoseite von Violetta Parisini 

10 Kommentare zu „1: Violetta Parisini und „All right“

  1. Liebe ist ein Gefühl, das nicht steuerbar ist, sie ist da, mit voller Wucht, oder eben nicht, sie ist nicht vergleichbar, nicht zwingbar, und daher auch so wertvoll. Eine Beziehung zu beenden, weil die Liebe nicht ausreicht ist immer schmerzhaft, und doch so ehrlich.
    Ein sehr schöner Text , danke auch für die Interpretationen, freue mich auf alles, was kommt!

    1. Vielen lieben Dank für Deinen Kommentar, liebe Emilycat! So wie Erich Fried es damals wohl schon sagte „Es ist, was es ist – sagt die Liebe“. – Wie schön, dass Dir unser Beitrag gefällt! Ganz liebe Grüße! 🙂

  2. Liebe Carmen,
    ich mag, dass deine Fragen diese intensiven Gefühle, von denen du sprichst, so stark widerspiegeln. Ich kann ihnen so gut folgen. Jemand sagte mal, das hört nie auf und in der Tat belebt jede Musik die sich mit unseren Lieben verbindet die alten Gefühle. Immerhin- die Musik bleibt. Bin gespannt auf deine weitern Beiträge. 🙂

    1. Liebe/r (?:-) ) Comediante23 – Danke für Deinen Kommentar! Ich bin ganz Deiner Meinung, es ist schon schön, was Lieder auslösen können. Immer wieder faszinierend, wenn ich den Radio aufdrehe, und ein Lied mich in Gedanken 10 Jahre zurück katapultiert. Genau – die Musik bleibt! Eine schöne Aussage. Danke Dir!

  3. Danke für den super interessanten Artikel + ich bewundere, wenn jemand den Entstehungsprozess so genau beschreiben kann – meine Herangehensweise ist da ausschließlich intuitiv und wenn mich jemand fragt, wie ich auf dies oder jenes kam, muss ich regelmäßig passen, falle quasi in Amnesie, was peinlich ist, denn so könnte man glatt denken, ich hätte überhaupt nicht nachgedacht – jedoch: das Gegenteil ist der Fall.
    Ich freue mich unbedingt auf mehr! Vielleicht löst sich dann meine diesbezügliche Blockade.

    1. Liebe Spiegelfassaden, lieben Dank für Deinen lieben Kommentar, ich freue mich sehr darüber. Ich finde es auch bewundernswert, wie Violetta über den Entstehungsprozess schreiben kann. Für mich persönlich ist es immer am schwierigsten, mir selbst einzugestehen, was mich an einem Lied denn wirklich so sehr berührt und warum – oder – wenn ich selbst schreibe – dann, wieso ich etwas so schreiben will, wie ich es schreiben will. Ich kenne diese Blockaden so gut. Ich frage mich manchmal, ob es Leute gibt, die sie nicht kennen/haben? Liebe Grüße und schönen Abend, Carmen. 🙂

  4. Das ist ein geiles und total spannendes Blog-Thema. Vor allem wird es mir vermutlich viele, bisher verborgene KuenstlerInnen naeher bringen und vielleicht auch meine Interpretation anregen! Ich fand Violettas Kommentar „. Und nachdem mein Herz nicht überzeugt war, hat mein Mund nicht lang gebraucht, das auch zu formulieren.“ wundervoll. Das klingt so leicht, aber ist es das wirklich? Ich freue mich auf die kommenden Lieder. Danke, Carmen!

    1. Hey Christina!! Wie schön, dass es Dir hier gefällt – Danke!! 🙂 –
      Zu Violettas Aussage: Ich finde sie auch wunderschön – fast schon die Zeile eines neuen Lieds. Vielleicht war der Weg von Herz zu Mund leicht, aber der Weg von Herzecke zu Herzecke schwer? Ich kann mir vorstellen, dass sie es so gemeint hat – weiß ich aber nicht. Selbst habe ich schon erlebt, dass Herz und Kopf ewig miteinander gestritten haben, als dieser Streit dann ausgefochten war, da wusste ich auch, was ich sagen würde. Aber – „nicht lange brauchen“ und „leicht“ muss sich ja auch nicht decken,… Ach – schön, Danke für Deine anregenden Gedankengänge, liebe Christina.

  5. Liebe Carmen, ich finde das eine super Idee – sich mit einem Songtext auseinanderzusetzen bzw erzählen, was er in einem auslöst und gleichzeitig den Künstler/die Künstlerin zu befragen. Das ist total innovativ und ich gespannt, wen wir alles zu hören kriegen! Violettas Lied und noch mehr Tims und Deine Gedanken zu beiden sprechen mich sehr an! liebe Grüße – R

    1. Lieber R. – Danke für Deine lobenden Worte – die freuen mich sehr. Noch mehr freut es mich, dass wir Dich mit unseren Gedanken ansprechen konnten. Schön…! 🙂 Liebe Grüsse, Carmen

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